Einzelbeiträge: Thematisierung von Flucht in Bildungsdiskursen

Moderation: Prof. Dr. Maisha-Maureen Auma

Verhandlungen von „Inklusion“ in außerschulischen Bildungsinitiativen für, mit und von Geflüchtete(n) im Schatten neoliberaler Bildungsdiskurse in Deutschland und der Türkei [entfällt, wir bitten um Ihr Verständnis]
Dr. Ellen Kollender, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

Die steigende Zahl von (unbegleiteten) Kindern und Jugendlichen, die seit 2012 bzw. 2015 in der Türkei und in Deutschland Asyl suchen, hat zu einer Vervielfältigung von non-formal- en Bildungsakteuren und -projekten für, mit und von ‚Geflüchtete(n)‘ in beiden Ländern ge- führt. In meinem Forschungsprojekt zu „Voices of Civil Sociey Actors on Inclusive Education in Times of Forced Migration” nehme ich die Inklusions-Verständnisse dieser Bildungs- akteure vor dem Hintergrund neoliberaler Bildungsdiskurse näher in den Blick. So frage ich, wie marktförmige Logiken, die u.a. im Rahmen von Praktiken einer New Educational Gover- nance im nationalen und internationalen Bildungsregime zunehmend Einzug halten, mit den Selbstverständnissen und dem Handeln der Bildungsakteure interagieren. Dabei identi- fiziere ich nicht nur Praktiken, die an neoliberale Entwicklungen und Bildungsverständnisse anschließen und einer Aushöhlung von Prinzipien der Inklusion Vorschub leisten. Auch analysiere ich kritisch-subversive Strategien der Akteure, die darauf abheben, eine inklusive Transformation von Bildungsinstitutionen und -prozessen in Deutschland und der Türkei zu stärken. Die Analyse des Spannungsverhältnisses von Affirmation und Kritik im Kontext neoliberal perforierter Bildungsdiskurse basiert auf qualitativen Interviews mit Vertre- ter*innen zivilgesellschaftlicher Bildungsinitiativen in Istanbul und Berlin, die im Kontext der Flucht/Migration im letzten Jahrzehnt entstanden sind. Die Verwobenheiten der Selbst- verständnisse und Praktiken der Bildungsakteure mit politischen Diskursen analysiere ich aus international vergleichender Perspektive sowie über ein dispositivtheoretisch inspirier- tes Forschungsdesign.

„Schüler*innen mit Fluchterfahrung" – Die Hervorbringung eines Subjektes im medialen Diskurs 2015 [entfällt, wir bitten um Ihr Verständnis]
Lena Waldhoff, Universität Potsdam

Im Zuge der Migrationsbewegung des Jahres 2015 entsteht in Deutschland eine öffentliche Diskussion um die „Integration“ von „schulpflichtigen Flüchtlingen“, „Flüchtlingskindern“ oder „Schülern mit Fluchterfahrung“. Diese unterschiedlichen bildungspolitischen Formu- lierungen verweisen auf spezifische Anrufungen einer Personengruppe und die mit ihnen verbundenen Herausforderungen für das deutsche Bildungssystem. Politische Zuschrei- bungen im Sinne essentialisierender Setzungen eines neuen Subjekts sollen mittels einer Diskursanalyse kritisch hinterfragt werden. Im Zuge dessen werden bildungspolitische Artikel ausgewählter Printmedien vor dem Hintergrund folgender Fragestellung analysiert: Inwiefern werden „Schüler*innen mit Fluchterfahrung“ (als Subjekt) in einem Fragment des medialen Diskurses hervorgebracht? Welche Zuschreibungen und Differenzierungen wirken konstitutiv? Mit diesem Forschungsanliegen soll aufgezeigt werden, wie das spezifische Subjekt als defizitäre Abweichung von einer implizit zugrunde gelegten „Normalschüler*- innenschaft“ konstituiert und damit von dieser ausgeschlossen wird. Gleichzeitig soll sicht- bar gemacht werden, wie dem Subjekt Eigenverantwortlichkeit hinsichtlich der Überwin- dung der eigenen Defizite in Form des neoliberalen Versprechens der Chancengleichheit zugeschrieben wird, wobei die „Inklusionsbereitschaft der Aufnahmegesellschaft“ (Foroutan 2010, S. 12) aus dem Blick gerät. Zentrales Anliegen wird es sein, für essentialisierende Setz- ungen zu sensibilisieren, die zur Verfestigung bestehender Ungleichheiten im Bildungs- system beitragen, indem sie strukturelle Benachteiligungen legitimieren und Teilhabe erschweren.

„Restriktive Bildungsräume – hohe Bildungsaspirationen? Prozesse der Inklusion und Exklusion in der Bildungsteilhabe junger Geflüchteter in Kanada und Deutschland“
Prof. Dr. Annette Korntheuer, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Die deutliche Zunahme der Zahlen von Asylsuchenden und Geflüchteten in Kanada und Deutschland im Sommer der Migration 2015 stellt diese beiden Länder vor neue gesell- schaftliche Herausforderungen und Möglichkeiten. Dieser Beitrag rekonstruiert Formen und Prozesse der Inklusion und Exklusion junger Geflüchteter in den Bildungssystemen in Toronto und München aus systemtheoretischer Perspektive. Bildungsstrukturen und Bil- dungserfahrung von jungen Geflüchteten wurden innerhalb einer explorativen, qualitativen Studie anhand von responsive Interviews mit jungen Geflüchteten (N=40) in Toronto und München, sowie Experteninterviews (N=25) in beiden Städten analysiert. In München findet die Beschulung der jungen Geflüchteten in spezialisierten Bildungsangeboten statt. Dies führt zu zielgruppenspezifischen Strukturen, die Teilhabe fördern können, jedoch auch zu deutlichen Prozessen der Exklusion aus Regelsystemen. In Toronto ist der Sekundarbereich an einer inklusiven Beschulung der diversen Schülerschaft ausgerichtet. Prozesse der Exklusion entstehen hier vor allem innerhalb bürokratischer Routinen. In beiden Kontexten kommt es zu Systemreferenzen und Störverflechtungen zwischen Asylsystem und Bildungs- system, welche zu speziellen Exklusionsrisiken für Asylsuchende führen. Strukturelle und institutionelle Exklusion bilden sich in den Narrationen der jungen Geflüchteten als Dis- kriminierungserfahrungen ab. Ihre Chancen und Möglichkeitsräume werden sowohl durch gesetzliche Regelungen und Verwaltungsrichtlinien, bürokratischen Routinen und kultur-defizitären Ansichten von Akteur*innen sowie Mitgliedschaftsbedingungen, die sich an funktionellen Erwägungen der Institutionen orientieren, beschränkt. Hohe Bildungsaspira- tionen zeigen sich in den Narrationen als proaktiver Bewältigungsversuch biographischer Brüche und restriktiver Strukturen.